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Hörspielkritik - Aresoneia II - Folge 3: AONIA

Autor: Frank Bruns

In der kostenlosen Amateurhörspielreihe Aresoneia, von Autor und Produzent Konrad Kretschmer aus Oldenburg, verschlägt es eine bunt durchmischte Gruppe Menschen auf den Mars, um die Überlebenden der missglückten ersten Marsreise zurück zur Erde zu bringen. Angeführt werden sie dabei vom berühmten Erfinder Nikola Tesla.

Am 24.04.2018 erschien die dritte Folge der zweiten Staffel. Sie trägt den Namen AONIA. Darin begibt sich der Polizist Warren Garrott auf die gefährliche Suche nach dem verschwundenen Oak Louis.

Kritik

Story

Im Kontrast zur Vorgängerepisode beginnt AONIA mit einem Prolog, in dem die Hörer*innen über die Unmöglichkeit von Zeitmaschinen bzw. Zeitreisen aufgeklärt werden.

Nach einem erneuten Abstecher in das futuristische New York, dessen Mysterium nun endgültig (?) enträtselt wird, greift das Hörspiel einen länger liegen gebliebenen Handlungsstrang aus der letzten Staffel wieder auf. Der Polizist Warren Garrott trennte sich ein paar Folgen zuvor heimlich von der Gruppe der Marsreisenden, um nach dem verschwundenen Oak Louis zu suchen. Lediglich einen Brief hinterließ er, um die Gruppe über seine Absichten zu informieren. Diese Suche wird in AONIA thematisiert. Schnell wird Garrott fündig und muss Oak aus einer lebensbedrohlichen Lage befreien.

 

Die Folge wird diesmal ausschließlich aus der Perspektive Garrotts erzählt, der sie durch eine Vielzahl erzählender Monologe trägt. Wir begleiten ihn fortwährend bei seiner Reise über den Mars, die gemächlich von einer Station zur nächsten führt und uns gegen Ende ein paar neue Charaktere vorstellt. Die Beziehung zwischen Garrott und Oak Louis wird vertieft und ein wenig Hintergrundinformationen zum Schicksal der Besatzung der ersten Marsreise gibt uns Autor Kretschmer auch preis.

 

Die äußerst lineare Handlung von AONIA erinnert stilistisch sehr an die erste Staffel und hat dadurch dieselben Probleme. In dieser hatte fast jede Folge genau einen der zahlreichen Charaktere zum Mittelpunkt. Die Hörer*in wich diesem dabei im Verlauf der Episode nie von der Seite.

Eine solche Erzählweise lässt kaum Dynamik im Kontext einer Folge aufkommen.

Eine episch angelegte Geschichte, wie Aresoneia sie sein möchte, hat üblicherweise einen Haupterzählstrang, der die Rahmenhandlung beschreibt und mehrere Nebenstränge, die die Welt und die Figuren darin näher beleuchten.

Durch häufige Wechsel zwischen Haupt- und Nebensträngen könnte die Handlung an mehreren Fronten gleichzeitig vorangetrieben werden. Dies wäre in Aresoneia spätestens ab dem Zeitpunkt möglich gewesen, als die Gruppe der Marsreisenden sich nach und nach in kleinere Grüppchen auflöst und an unterschiedlichen Orten parallel agiert. Für den Hörer entstünde ein deutlich interessanteres Erzählkonstrukt.

 

Leider nutzt AONIA dieses Potenzial nicht. Bis auf den Abstecher nach New York zu Beginn des Hörspiels, erzählt uns Kretschmer nur einen einzigen Nebenstrang der Story. Die Rahmenhandlung bleibt gänzlich unangetastet. Das Gehörte wirkt dadurch etwas irrelevant, auch wenn es nie langweilig ist.

 

Die Konzentration auf einen Charakter pro Folge, als zentrales Erzählkonzept, ist  meiner Meinung nach die größte Schwäche der gesamten Serie. Kaum einer von ihnen erlebt eine Geschichte, die es unabdingbar gemacht hätte, sie genau aus der Perspektive des jeweiligen Charakters erzählt zu bekommen. Die meisten Figuren stellen sich im Prinzip dieselben Fragen über ihre Situation und reflektieren die Umstände zu ähnlich, als dass die Perspektivwechsel relevante neue Facetten zum Stoff hinzufügen würden. Charakterliche Tiefe könnte ebenso über Dialoge hergestellt werden, egal aus wessen Perspektive die Geschichte erzählt werden würde.

 

Mir ist nur eine Stelle aus Staffel 1 in Erinnerung geblieben, die davon profitiert, dass sie aus dem Blickwinkel einer bestimmten Figur erzählt wird: Als wir von Warren Garrott aus inneren Monolgen erfahren, dass er mit einer doppelten Identität lebt, wurde dem Hörer ein Geheimnis offenbart, dass sinnvollerweise nur Garrott selbst hatte lüften können. Nur er war im Besitz der notwendigen Informationen. Damit ist dem Autor ein interessanter Überraschungseffekt gelungen. Als Hörer*in baut man zugleich eine stärkere Bindung zur Figur auf, da man nun ein privilegierter Eingeweihter ist und das dunkle Geheimnis mit Garrott teilt.

Produktion

Dass es sich um eine Amateurhörspielserie handelt, hört man Aresoneia, objektiv betrachtet, die meiste Zeit über an. Alle Sprecher*innen haben ihre Rollen privat in Eigenregie aufgenommen und erhielten nur die eigenen Textpassagen vom Autor. Bis auf grobe schriftliche Hinweise zur gewünschten Betonung, lässt Kretschmer seine Akteure über den Handlungskontext im Unklaren. Das ist ausdrücklich Teil des Produktionskonzepts der Serie, führt aber hin und wieder zu irritierenden Momenten in den Dialogen. Besonders auffällig ist es, als die Sprecher in einer Szene im Flüsterton sprechen sollen und dabei unterschiedliche Varianten des Flüsterns herauskommen. Die Illusion, dass sich alle Figuren im selben Raum befinden und sich tatsächlich miteinander unterhalten, wird durchbrochen.

Auf die komplette Produktion bezogen, stört diese Vorgehensweise das Gesamtbild kaum. Auch über die unterschiedlichen Tonqualitäten der Aufnahmen hört man schnell hinweg. Dennoch würde es dem Hörerlebnis gut tun, wenn das technische Niveau über die verschiedenen Rollen vereinheitlicht werden könnte.

Geräusche und Musik

Die Geräuschkulisse ist zweckdienlich und unaufdringlich, erreicht aber kein kommerzielles Niveau. Nichtsdestotrotz ist sie völlig ausreichend, um das Geschehen vor dem geistigen Auge sichtbar werden zu lassen. Ich hatte beim Hören nie Probleme damit, zu verstehen, was mit diesem oder jenem Geräusch ausgedrückt werden sollte.

Für die Musik hat Konrad Kretschmer sich Verstärkung ins Boot geholt. Schrieb er für Kapitel I noch alle Tracks selbst, unterstützt ihn nun der Oldenburger Künstler Billion One. Die Klänge des Musikers reichen von episch-sphärisch bis reduziert-melancholisch.
Zum ersten Mal in der zweiten Staffel hatte ich den Eindruck, dass die Musik sich nicht besonders gut in das Hörspiel einfügte und etwas beliebig daher kam. Die kurzen Einspieler dienten beinahe ausschließlich zur Trennung von Szenen und weniger zur emotionalen Untermalung des Geschehens. Da hat Kretschmer etwas Potenzial verschenkt.

Sprecher*innen

Die meisten Sprecher*innen machen ihre Sache annehmbar bis gut, wenn man bedenkt, dass es sich um Amateure handelt.

Thomas Lühring in der Rolle des Warren Garrott hat mich diesmal sehr beeindruckt. Er zählt für mich zu den besten Sprechern der Serie. Besonders glänzt er in den monologartigen Erzählpassagen, die er als Amateur hervorragend betont. Das ist nicht leicht. Hier ist Talent vorhanden. Es fehlt nicht viel um als Profi durchzugehen. Ich würde mir von ihm sogar ein Hörbuch anhören. Lediglich ein Popfilter vor dem Mikro vermisst man bei seinen Aufnahmen.

Der erste Auftritt von Constanze Perez-Winkler als Franziska Bauer klang hervorragend. Auch längere Passagen betont sie ordentlich. Ihre tolle Sprechleistung trifft auf eine gute Aufnahmequalität. Die zweite neue Stimme, Olcay Kaya alias Emma Goldman, macht ebenfalls eine gute Figur, leidet aber unter der Aufnahmequalität. Hoffentlich bekommen beide noch viele weitere Zeilen im Hörspiel.

Fazit

AONIA hat gute bis sehr gute Sprechleistungen zu bieten und man lauscht den Dialogen gerne. Thomas Lühring führt mit seiner warmen Stimme sehr schön durch die lineare Erzählung. Der mystische Science-Fiction-Anteil wurde wieder etwas zurückgeschraubt und es geht eher gemächlich zu.

Leider, möchte ich sagen!  Bis auf ein paar eingeführte Charaktere gibt es diesmal nicht viel Neues auf dem Mars zu entdecken. Der Haupterzählstrang um Nikola Tesla und die Rettungsmission wurde zu sehr vernachlässigt.  Insgesamt handelt es sich bei AONIA somit um die bisher schwächste Folge der zweiten Staffel. Mit der vorangegangene Episode CYDONIA (zur Kritik) hatte Kretschmer sich die Messlatte allerdings selbst sehr hoch gesetzt.
Löblich ist, dass mit Emma Goldman eine weitere Vorkämpferin des Feminismus in die Reihe Einzug gehalten hat. Schön, dass der Autor solchen, heute eher in Vergessenheit geratenen Persönlichkeiten, damit einem breiteren Publikum näher bringt.

 

Für die nächste Episode, die den Mittelpunkt seiner Erzählung bilden soll, kündigte der Autor kürzlich ein ganz besonderes Hörerlebnis an. Wir dürfen gespannt sein, ob er zu alten Höhen zurückfinden wird.

Alle bisherigen Folgen von Aresoneia können kostenlos auf der Bandcamp-Seite des Autors bezogen oder per E-Mail unter aresoneia@kon-kret.eu erfragt werden. AONIA wird nach Aussage des Autor ebenfalls zeitnah dort erscheinen.

Links



Aresoneia S2E2: CYDONIA [Hörspielkritik]

Am 10.02.2018 erschien die zweite Folge der zweiten Staffel von Aresoneia. Sie trägt den Namen CYDONIA. Darin verschlägt es Nicola Tesla und seine Begleiter in eine geheimnisvolle Marspyramide, in der sie hoffen, mehr über die ehemaligen Bewohner des roten Planeten zu erfahren.

Aresoneia S2E1: THARSIS [Hörspielkritik]

Nach den neun Folgen des ersten Kapitels, erblickt am 15.12.2017 mit THARSIS die erste Folge aus Kapitel II der Hörspielreihe Aresoneia das Licht der Welt.  Darin erwachen Nellie Bly und Andrea Tell in einer Höhle auf dem Mars und müssen feststellen, dass sie auf sich allein gestellt sind. Nach kurzer Zeit stoßen sie auf ihre Mitstreiter Dr. Treves und Lieutenant Dibbs. Gemeinsam versuchen sie die Höhle zu verlassen, die von eigenartigen Pflanzenmenschen bewacht wird, um nach dem Rest ihrer Reisegruppe zu suchen.

Ignoranz, Rassismus und Islam. [Politischer Blogartikel]

Die Menschen in Europa neigen dazu, die ganze muslimische Welt über einen Kamm zu scheren. Immer wieder werden Islam und Islamismus gleichgesetzt und alle muslimischen Länder in einen Topf geworfen. Und nach positiver Berichterstattung muss man förmlich suchen. Kein Wunder also, dass vieles, was wir über den Islam und die islamischen Staaten zu wissen glauben, negativ behaftet ist.



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