Autor: Frank Bruns
Immer wieder hört man Stimmen, die die Zuwanderung durch die Flüchtlingskrise sehr kritisch sehen. Die ankommenden Menschen stammen aus einem völlig fremden Kulturkreis, heißt es. Sie seien gewissermaßen inkompatibel mit unserer Gesellschaft. Wie sollen sie sich hier jemals erfolgreich integrieren? In Wahrheit sind es oft die Deutschen, die nicht zulassen, dass Migranten sich integrieren.
In Filmen, TV-Serien und medialer Berichterstattung haben wir, insbesondere nach den Anschlägen vom 11. September 2001, überwiegend das Bild des radikalen Muslims präsentiert bekommen. Islam und Muslime kommen in unseren Medien praktisch nur im negativen Kontext von Kriminalität und Terrorismus vor. Die gesellschaftliche Vielschichtigkeit der Muslime bzw. deren komplexe Lebensrealitäten werden kaum porträtiert. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender bilden hier keine Ausnahme. Zwangsläufig stellt sich ein Zerrbild in unserer Wahrnehmung ein, dass Bedenken gegenüber Zuwanderung aus dem Orient fördert. Dabei bilden politisch moderate Muslime weltweit die überwältigende Mehrheit und definieren somit eigentlich die Norm. Die radikale Minderheit dagegen nutzt die mediale Aufmerksamkeit, um sich in den Vordergrund zu drängen.
Deutsche Massenmedien berichten über Muslime und Islam überwiegend in negativen Kontexten. Kein Wunder also, dass viele Menschen hierzulande sich bedroht fühlen.
Wir leben im Zeitalter der Globalisierung, ob wir es wollen oder nicht. Besonders der Westen profitiert vom Warenverkehr rund um den Globus. Der Zugang zu früher verschlossenen Märkten ist ein wichtiger Baustein unseres Wohlstands geworden. Mit den Waren verbreitet sich die dazugehörige Kultur auch in die entlegensten Ecken der Erde.
Coca-Cola Werbung auf Arabisch. Wenn Alkoholkonsum nicht selbstverständlich ist, wird Cola zum Lifestylegetränk.
Auch über das Internet ist die Welt zusammengewachsen. Man lacht über die selben Katzenvideos oder tanzt bescheuert zu Gangnam Style. Nicht nur Deutschland, auch die arabischen Länder suchen den Superstar oder spielen Super Mario. Wir haben bereits
eine internationale Popkultur. Unter den Flüchtlingen hat besonders die syrische Jugend sich in den letzten Jahren dem westlichen Lebensstil geöffnet. Es bestehen also schon jetzt kulturelle Gemeinsamkeiten, die nicht jedem bewusst sind.
Das ist eine Basis, auf die man aufbauen kann, auch wenn sicherlich noch viel interkultureller Austausch stattfinden muss.
"Besorgte Bürger" behaupten, dass die Geflüchteten inkompatibel zu unserer Art zu leben seien. Ich behaupte, dass viele von uns sich noch wundern werden, wie westlich
eingestellt und modern ein Großteil der ankommenden Menschen tatsächlich ist.
Arab Idol, das Pendant zu Deutschland sucht den Superstar, läuft auch 2015 wieder in Nahost.
"Happy" auf den Straßen von Teheran im Iran. Auch Muslime können cool!
PSYs Megahit "Gangnam Style" in der Version syrischer Jugendlicher, die sich ironisch mit ihrem Leben in Syrien auseinandersetzen.
Super Mario kennt man auch in Syrien. Nun hat ein Syrer, der mit seinen Eltern in die Türkei geflohen ist, seine Flucht als Super Mario Level inszeniert.
Ressentiments gegenüber in Deutschland lebenden Muslimen sind überwiegend ein Problem der älteren Generationen. Das ist auch die Altersgruppe, die mehrheitlich bei PEGIDA aufläuft. Für die heute jungen Menschen ist es normal, mit Muslimen aufgewachsen zu sein. Sie haben aktiven Kontakt mit ihnen und pflegen freundschaftlichen Umgang. Die 20-jährige Laura Meschede bringt es in ihrem Artikel in der Zeit auf den Punkt:
"Persönlich kenne ich niemanden in meinem Alter, der Probleme mit Muslimen hat. Der Grund dafür ist: Wir wissen, wovon wir reden."
Laura Meschede (20), 31.01.2015, Die Zeit
Dass Zuwanderung bezüglich kultureller Verträglichkeit in der Realität kein dauerhaftes gesellschaftliches Problem darstellt, zeigt auch die Integrationstudie von Ende 2014, die herausgestellt hat, dass Migranten sich dem einheimischen Lebensstil im Laufe der Zeit angleichen. Das bedeutet unter anderem, dass sie weniger Kinder bekommen, seltener die Ehe eingehen und sich öfter scheiden lassen. Willkommen im Westen!
Wenn Integration misslingt, dann liegt es auch an den Deutschen, die sich gegenüber Muslimen abschotten und deren Integration verweigern. Durch unterschwelligen Rassismus, der praktisch alle Menschen im Denken und Handeln beeinflusst, erhalten Migranten hierzulande weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt oder haben es schwerer, eine Wohnung zu mieten oder Kredite zu bekommen. Durch systematische Diskriminierung und Ausgrenzung entsteht ein Gefühl von Perspektivlosigkeit, die dazu führen kann, dass manche Migranten sich von der Mainstreamgesellschaft abwenden. Der Rückzug in die eigene ethnische Gruppe, die Verständnis für ihre Probleme hat und als einzige noch Identifikationspotenzial bietet, ist eine natürliche Konsequenz. Diese Leute werden dann gerne öffentlich zum Prototyp des integrationsunwilligen Zuwanderers stilisiert. Das Opfer des Systems bekommt die Täterrolle angelastet und dient fortan als weitere Rechtfertigung für Vorbehalte gegen Migranten.
Als Migrant ist man in Deutschland systematischer Diskriminierung ausgesetzt, die eine erfolgreiche Integration erschwert.
Die Herausforderung, die unsere Gesellschaft nun zu bewältigen hat, ist es, aus dem Teufelskreis von Diskriminierung, Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und scheiternder Integration
auszubrechen. Wenn alle Migranten in Deutschland eine faire Chance erhalten, sich ein selbstbestimmtes und freies Leben aufzubauen, dann wird unser Land und unsere Gesellschaft sowohl kulturell
als auch wirtschaftlich reicher werden. Ich freue mich darauf. Und Sie?
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Wie verschieden sind Orient und Okzident tatsächlich noch? Gibt es vielleicht mehr Gemeinsamkeiten, als unser...
Posted by FRANK AND FREE on Montag, 16. November 2015
Europa liebt die Toten
Die Festung Europa ist real und kostet jeden Tag unschuldigen Menschen das Leben. Männer. Frauen. Kinder. Das Meer tötet alle gleich!
Das kann und darf so nicht weitergehen, wenn wir als Europäer in Zukunft nicht in Schande auf unsere menschenverachtende Politik zurückblicken wollen.
Arbeiterkinder und die Illusion der Chancengleichheit
Die Erkenntnis, dass sich soziale Ungerechtigkeiten im Wesentlichen auf das Vorhandensein von gesellschaftlichen Privilegien zurückführen lassen, klingt sicher ziemlich unspektakulär.
Dennoch lag für mich die Schwierigkeit darin, zu verstehen und zu akzeptieren, dass Privilegien bei uns tatsächlich existieren und reale Auswirkungen auf unsere Leben haben.
Ignoranz, Rassismus und Islam
Die Menschen in Europa neigen dazu, die ganze muslimische Welt über einen Kamm zu scheren. Immer wieder werden Islam und Islamismus gleichgesetzt und alle muslimischen Länder in einen Topf geworfen. Und nach positiver Berichterstattung muss man förmlich suchen. Kein Wunder also, dass vieles, was wir über den Islam und die islamischen Staaten zu wissen glauben, negativ behaftet ist.
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